Multitasking gibt es nicht… Oder doch?

Neulich habe ich einen Attack-Instruktoren-Anwärter, der gerade seine Ausbildung macht, eingeladen, in meiner Montagsstunde einen oder zwei Tracks zu coachen. Denn eines ist natürlich ganz klar – je mehr er übt, desto sicherer wird er auf der Bühne und desto besser werden seine Stunden. Mehr Übung für den Trainer bedeutet ein großartigeres Fitness-Erlebnis für die Teilnehmer und das ist uns schließlich am allerwichtigsten. 

Er entschied sich für Track 1 und 2 – keine einfache Wahl. Track 1 ist häufig ausschlaggebend für die Entwicklung der gesamten Stunde: Hier verbinden wir uns mit den Teilnehmern, wir müssen nicht nur unsere Körper aufwärmen, sondern auch die Stimmung – und das, obwohl wir vielleicht selber noch gar nicht ganz dort angekommen sind. Je nachdem, wie der Tag gelaufen ist, kann dies also durchaus eine Herausforderung sein. Aber selbstverständlich durfte er die beiden Tracks übernehmen, ich blieb als “Schatten” an seiner Seite. 

Ich musste wirklich schmunzeln, denn in diesen 10 Minuten fühlte ich mich 1,5 Jahre zurückversetzt in meine eigenen ersten Stunden nach der Ausbildung… 

Ich wage zu behaupten, dass das Coaching quasi identisch war: Es bestand hauptsächlich aus der (nicht immer rechtzeitigen) Ansage der Übungen und vereinzelten Sicherheitshinweisen bezüglich der Ausführung. 
Mehr geht anfangs nicht, denn als Neuling ist man so mit sich selbst und der Choreo beschäftigt (“Oh Sh**, was kommt nochmal als Nächstes?”, “Uhm, muss ich jetzt rechts oder links sagen?”, “Mein Gott hört man mich durch das Mikro laut schnaufen….!” usw.), dass man die anderen Dinge einfach nicht mehr auf die Reihe kriegt.  

Versteht mich nicht falsch, er hat das gut gemacht, schließlich war das seine erste echte Performance, in einer echten Stunde, vor echten Teilnehmern. Aber dieses Erlebnis hat mir vor Augen geführt, was wir Instruktoren in unseren Classes alles leisten: 

  1. Choreo: Wir hören die Musik und müssen wissen, welche Moves wann, in welchem Rhythmus, in welche Richtung und wie oft wiederholt werden. 
  2. Technik: Dabei müssen wir die Moves technisch korrekt ausführen, Koordination und Balance müssen stimmen.  
  3. Das Leistungsniveau ist ebenfalls wichtig. Es hängt natürlich einerseits von unserer eigenen Tagesform ab, sollte aber gleichzeitig an die Zusammensetzung der Gruppe angepasst sein. Gerade Bodyattack ist ein hochintensives (Intervall-)Training, bei dem auch wir Trainer unserem Körper sehr viel abverlangen.  
  4. Coaching: 
    • Wir teilen den Teilnehmern im richtigen Moment mit, was sie als nächstes machen sollen. Es gibt nichts Frustrierenderes für die Teilnehmer, als nicht mitzukommen, weil der Instruktor ihnen zu spät (oder zu früh) sagt, was sie zu tun haben.  
    • Manchmal machen wir eine neue Bewegung einige Takte früher, als “Preview”, um ihnen zu zeigen, was als nächstes kommt, während die Teilnehmer noch bei der vorherigen Übung sind.
    • Wir vermitteln den Teilnehmern mit Worten und visuell, wie sie die Moves technisch korrekt ausführen, damit sie sich nicht verletzen und das Maximum aus ihrem Training herausholen können. 
    • Wir machen alle Bewegungen spiegelverkehrt: Wir sagen rechts, doch wir machen links. (Das war anfangs eine der größten Herausforderungen für mich – und tatsächlich weiß ich inzwischen wirklich nicht mehr, wo rechts und wo links ist. Ein echtes Problem, wenn mich jemand z.B. im Auto lotsen muss: “Uhm, welches “rechts” meint der jetzt….?”).  
    • Wir nehmen bewusst wahr, was die Teilnehmer tun, damit wir sie ggf. korrigieren können und wir sehen auch, wie sie auf uns und unser Coaching reagieren. Braucht hier jemand eine bestimmte Art der Motivation, um mehr zu geben? Fühlt sich jemand nicht gut, möchte es aber vielleicht nicht zeigen? Empathie ist ein sehr wichtiger Aspekt in unseren Kursen. 

Und das waren nur die wichtigsten Punkte! Worauf ich hinaus will: Während unserer Kurse erbringen nicht nur unsere Muskeln Höchstleistung, sondern es gibt eine Vielzahl an gleichzeitigen oder zeitversetzten Abläufen, die unser Gehirn bewusst oder unbewusst in Gang setzt und abspult.  

Dies bedeutet wiederum eines: Die Prozesse, die immer wiederkehren – also unsere Choreografie an allererster Stelle, aber natürlich auch unsere Ausführungstechnik und das Basis-Coaching – müssen möglichst schnell automatisiert werden, damit wir uns in jeder Stunde bewusst mit den jeweiligen “individuellen Herausforderungen” beschäftigen können. 

Natürlich haben Anfänger diese Automatismen noch nicht. Sie bilden sich mit der Zeit – mit der zweiten, dritten Release bemerkt man bereits einen deutlichen Unterschied. Doch klar – je mehr man am Anfang übt, desto schneller geht dieser Prozess vonstatten. 

Deswegen habe ich unseren neuen Kollegen auch gleich eingeladen, nächste Woche wiederzukommen. 🙂 

P.S. Ich glaube übrigens nicht an Multitasking. Multitasking existiert nicht. Jedenfalls nicht so, wie es gerne im Berufsleben interpretiert wird, nämlich dass man gleichzeitig drei Emails schreibt, dabei noch ein Telefonat führt und den Geschichten des Kollegen zuhört. Nein, denn sobald man dabei nachdenken muss, kann sich das Gehirn erwiesenermaßen immer nur mit einem einzigen Vorgang auseinandersetzen. Mehrere Aufgaben können höchstens abwechselnd bearbeitet werden, indem unsere Aufmerksamkeit immerzu zwischen ihnen hin- und herspringt. 

Multitasking funktioniert nur, wenn wir über einen oder mehrere der gleichzeitig laufenden Prozesse nicht nachdenken müssen, diese also automatisiert ablaufen. Dann kann man sich gleichzeitig bewusst mit einer weiteren konzentrationsfordernden Sache beschäftigen. Das ist Multitasking – und das ist es, was wir in unseren Classes tun.

Titelbild und weitere interessante Informationen zum Multitasking: www.wrike.com/de/blog/suechtig-nach-multitasking und speziell zur Leistung unseres Gehirns in unseren Les Mills Classes: www.lesmills.com/de/instruktoren/instruktoren-news/der-einsatz-deines-gehirns-beim-training

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