“Nach dem Halbmarathon ist vor dem Halbmarathon”

Das war letzte Woche die trockene Antwort eines Arbeitskollegen auf meine begeisterte Mitteilung, dass ich mich soeben für den hella hamburg halbmarathon 2021 angemeldet hatte. 🙂 

Es wäre dann mein dritter Halbmarathon und das erscheint mir nur richtig, denn schließlich heißt es nicht umsonst: Drei Mal ist Bremer Recht. 

Mein erster Halbmarathon war der Vienna City Marathon im April 2019 – eine wirklich großartige Kulisse für den “Ersten”. Die Stimmung dort war grandios, überall entlang der Strecke standen Menschen, die uns anfeuerten (aufmerksame Beobachter schauten sogar zuerst noch auf unsere Namen auf der Startnummer und sprachen uns dann direkt an), es gab Trink-, Ess- und Musikstationen – unglaublich und unvergessen der Moment, als wir die Ringstraße entlang liefen und kurz nach dem Karlsplatz das Hauptthema aus dem Soundtrack von Braveheart gespielt wurde. Ich bekomme heute noch eine Gänsehaut und habe Tränen in den Augen, wenn ich daran denke. 

Besonders in Erinnerung geblieben ist mir auch der Zieleinlauf, denn genau in dem Moment, in dem ich auf den letzten paar hundert Metern innerlich schreiend versuchte, im Sprint noch einmal alles rauszuholen, rauschte scheinbar ganz entspannt die Kenianerin Nancy Kiprop an mir vorbei, die an diesem Tag einen neuen Streckenrekord und ihre persönliche Bestzeit lief. Um es ganz deutlich zu sagen: Sie lief einen Marathon in fast derselben Zeit, die ich für einen Halbmarathon brauchte. Ich selber habe in Wien mein – unter Anbetracht der Tatsache, dass ich mich fast ausschließlich mit Attack vorbereitet und vorher kaum Läufe absolviert hatte, tatsächlich sehr ambitioniertes – Wunsch-Ergebnis, den Halbmarathon in zwei Stunden zu schaffen, um ein paar Minuten verpasst, aber das war nicht schlimm, denn alleine die Tatsache, bei diesem Event dabeigewesen zu sein, war und ist großartig genug. 

Neben der wunderschönen Strecke ist aus meiner Sicht auch das Datum ein Pluspunkt dieses Events: Im April wird es normalerweise noch nicht zu heiß und wenn es nicht gerade regnet, hat man eigentlich ideale Laufbedingungen. 

Eine negative Folge meiner “Nicht-Vorbereitung” waren schwere Zerrungen in beiden Waden. Die Schmerzen begannen glücklicherweise erst zum Ende der 21 km, sorgten jedoch in den folgenden Tagen dafür, dass ich wirklich kaum gehen konnte (Treppen zum Beispiel konnte ich nur noch rückwärts herunter gehen) und dass ich für meine erste Attack-Stunde nach dem Halbmarathon einen Co-Trainer brauchte, der die Übungen ausführen konnte, bei denen ich einfach zu große Schmerzen hatte. (Kurz gesagt: Er war der Körper – ich die Stimme… Ich liebe Team-Teach! 😀 )

Es war teilweise so schlimm, dass ich mich schon fragte, ob – so großartig das alles auch gewesen war – diese Schmerzen es wirklich wert waren. Eines war klar: Sollte ich jemals wieder einen Halbmarathon laufen, musste ich mich unbedingt spezifischer darauf vorbereiten.  Sprich: mit regelmäßigen und darunter auch längeren Laufeinheiten. Deshalb war ich mir zu der Zeit relativ sicher, dass der erste auch mein letzter Halbmarathon bleiben würde, denn ich war mit meinen zwei bis drei Attack-Stunden pro Woche bereits an oder über der Kardiogrenze (wie hier berichtet), so dass ich nur noch alle zwei Wochen sonntags und natürlich gerne und ausgiebig im Urlaub laufen gehen konnte. 

Dann kamen Corona und ein Umzug in eine neue Stadt, somit der Wegfall all meiner Kurse. 

Und ich entdeckte das Laufen wieder neu. Vorsichtig zunächst, um die Waden nicht zu überlasten, aber durch die Regelmäßigkeit – zwei- bis dreimal die Woche – war dieses Problem schnell erledigt. 

Als dann mein neuer Arbeitgeber beschloss, intern eine Spendenaktion auszurufen – wir spendeten 1€ für jeden von den Mitarbeitern gelaufenen oder geradelten Kilometer -, stand für mich fest, dass ich am digitalen hella hamburg halbmarathon 2020 teilnehmen würde. Aufgrund der Ausnahmesituation konnte man sich dieses Jahr für eine “beliebige Strecke” anmelden, also einfach loslaufen und so viel schaffen, wie man wollte – genau das Richtige für mich, da ich mir nicht sicher war, ob meine Waden bereit waren für die vollen 21,1 km. 

Sie waren es – ich kam auf genau 21,5 km. Und ich schaffte nicht nur die Ziel-Strecke, sondern diesmal auch die Ziel-Zeit unter zwei Stunden.

Dadurch, dass dieser Halbmarathon nicht auf seiner Stammstrecke durchgeführt wurde, kann ich nicht sagen, wie die Stimmung und die Strecke sind. Ich bin meine übliche Stadtpark-Runde gelaufen – dreieinhalb Mal, um genau zu sein. 😀 Anders als in Wien waren es also diesmal nicht die Kulisse und die Atmosphäre, die den Lauf so großartig machten, sondern es war einfach der Lauf an sich. Ich fühlte mich von Anfang an extrem fit und erreichte in der dritten Runde – circa nach 15 km – ein derart extremes “Runners High”, dass ich immer wieder eine Gänsehaut bekam und mein einziger, sich in einer Endlosschleife wiederholender Gedanke “es-ist-so-großartig” war. Ich war schon bei vielen Läufen im Flow, aber nie so lang und nie so tief (oder sollte ich eher hoch sagen.….? Na, ihr wisst schon, was ich meine…). 

Nachdem es keinen alles andere verdrängenden Wadenschmerz gab, konnte ich dieses Mal genau beobachten, was so ein 21-Kilometer-Run in einer vielleicht nicht unglaublich schnellen, aber dennoch durchaus anspruchsvollen Pace mit dem Körper macht. Ich bin durch Attack an viel höhere Peaks gewöhnt, aber dort ist die Belastung nie dauerhaft, sondern eben in Spitzen mit anschließenden (wenn auch häufig nur kurzen) Erholungsphasen. Darüber hinaus machen wir bei Attack viele verschiedene Moves, während man beim Laufen eben einfach “nur” läuft. Genau dieses “Nur-Laufen” über eine Zeit von knapp zwei Stunden ist etwas, auf das Attack nicht vorbereiten kann (daher ja auch die Wadenprobleme im Vorjahr): Attack gibt einem definitiv die Ausdauer, aber es bereitet den Muskel nicht auf diese dauerhafte, gleichbleibende Belastung vor. 

Direkt nach dem Lauf ging es mir gut, ich ging noch einige hundert Meter in moderatem Tempo spazieren, um die Muskeln ein bisschen zu lockern. Die Treppe hoch zu meiner Wohnung war schon anstrengender – ich spürte nicht nur die muskuläre Erschöpfung, sondern auch die Beanspruchung der Gelenke und Sehnen. Ganz schlimm wurde es mit dem ersten Hinsetzen. Auf einem Stuhl zu sitzen, war per se schon nicht wirklich schön – egal, wie ich mich zurecht rückte, es war einfach immer unbequem und irgendein Muskel – sei es im Po, in den Beinen oder im Rücken – schmerzte immer. Auf dem Sofa liegend ging es mir sehr gut. Also lag ich einfach dort, ohne mich zu rühren. Über Stunden. 😀 Denn jedes Aufstehen war ein Kampf! Der erste Schritt – eine übermenschliche Anstrengung. Wenn ich diesen dann gemeistert hatte, ging es mit jedem weiteren Schritt etwas besser – später machte ich sogar noch einen, wenn auch wohl etwas holprigen, Spaziergang -, aber wieder in Gang zu kommen, war jedes Mal erneut eine mentale wie körperliche Herausforderung. 

Trotzdem absolut kein Vergleich mit den Qualen des Jahres davor, im Gegenteil: Dieser süße Schmerz und diese totale Erschöpfung erinnerten mich an das, was ich geleistet hatte! Mein Rausch hielt noch einige Tage an und ich wünsche jedem Läufer, diese Erfahrung wenigsten einmal im Leben zu machen. 

Also wie wäre es? Schaut doch mal nach einem solchen oder ähnlichen Event in eurer Nähe und meldet euch an. Denkt immer daran, gerade beim ersten Mal ist nicht die Zeit das Ziel, sondern der Lauf an sich – einfach mal an die eigenen Grenzen und darüber hinaus zu gehen (bzw. zu laufen), sich körperlich wie mental herauszufordern und die Herausforderung zu meistern. Unter dieser Voraussetzung braucht man auch keinen hochkomplexen Trainingsplan zur Vorbereitung, Es reichen regelmäßige Laufeinheiten (2-3 Mal in der Woche) und vor dem Event sollte man ein- oder zweimal eine längere Strecke (ab 15 km) gelaufen sein. 

Ich für meinen Teil FIBEEEEEEERE mich schon jetzt unglaublich auf den hella hamburg halbmarathon 2021. 

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